Mitten im Ort befanden sich in der Zeit von 1939 bis 1945 zahlreiche Zwangslager, oft verdrängt, heute fast unsichtbar. Viele Kriegsgefangene mussten in lokalen Betrieben, in der Industrie oder auch in privaten Haushalten Zwangsarbeit leisten und hatten dabei auch Kontakt zur Bevölkerung. Aus einigen wenigen dieser Begegnungen entstanden Freundschaften, die bis heute Bestand haben.
Untergebracht waren die Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen nicht nur im Stalag 17B in Krems-Gneixendorf, einem der größten Kriegsgefangenenlager auf österreichischem Boden während der NS-Zeit, das zu Spitzenzeiten etwa doppelt so viele inhaftierte Kriegsgefangene wie die Stadt Krems Einwohner:innen hatte, sondern auch in Sammelunterkünften direkt am Ort ihres Arbeitseinsatzes, in leerstehenden Gebäuden, in Gasthaussälen oder in Baracken auf Firmengeländen. Lager gab es während der Kriegszeit in beinahe jedem Ort. Im Bezirk Krems wurden während des dreijährigen Projektverlaufs 121 NS-Zwangslager bzw. Orte mit Zwangsarbeit gefunden, davon 38 in „Groß-Krems“, das größer war als das heutige Kremser Stadtgebiet.
Zahlreiche Projektbeteiligte
Die Ausstellung ist Teil des Projekts „NS-Volksgemeinschaft‘ und Lager. Geschichte – Transformation – Erinnerung“ der Universität für Weiterbildung. Federführend waren Forschungsleiterin Martha Keil und Wissenschaftlerin Edith Blaschitz sowie Kuratorin Karin Böhm, die sich in den vergangenen drei Jahren intensiv mit der Geschichte der nationalsozialistischen Lager in Niederösterreich beschäftigt haben. Parallel zur lokalen Gruppe gab es auch viele Kontakte zu Nachkommen, die Dokumente und Erfahrungsberichte bereitstellten. Die Stadt Krems von Seiten des Kulturamtes und das Institut für jüdische Geschichte Österreichs unterstützten dieses Projekt, das Land Niederösterreich war Fördergeber. Wissenschaftliche Erkenntnisse konnten durch die Spurensuche der Citizen Scientists zusätzlich gewonnen werden. D.h. ehrenamtliche Forschende, die nicht hauptberuflich in der fachzugehörigen Wissenschaft tätig sind, nahmen Kontakt zur Bevölkerung auf und traten in Dialog mit ihr und erhielten von Nachkommen Informationen zum Thema.
Viele Familien im Bezirk Krems betroffen
„Danke an alle Beteiligten für Ihr großes Engagement, vor allem an die Citizen Scientists, die mit so viel Interesse und Engagement aufzeigen, dass Zeitgeschichte tief in unsere Gesellschaft hineinwirkt und viele Familien betrifft. Dass nun in vielen Familien über die Zeit des Nationalsozialismus in Krems gesprochen wird, ist das Verdienst der Citizen Scientists“, so Kulturgemeinderätin Elisabeth Kreuzhuber.
Buch ab sofort erhältlich
Dieses Projekt ist nicht „nur“ eine historische Aufarbeitung, sondern ein Beitrag zur demokratischen Erinnerungskultur und ein Appell an unsere Verantwortung für die Zukunft. Das Buch NS-Lager und Zwangsarbeit im Bezirk Krems (1938-1945), Citizen Scientists suchen nach Spuren von Edith Blaschitz, Karin Böhm, Carl Philipp Hoffmann ist ab sofort im Buchhandel erhältlich. Die Ausstellung ist bis 29. November im Rathausfoyer Krems während der Amtszeiten zu besichtigen.
Projekt-Beteiligung: Christine Aigner, Giovanni Alfarano, Günther Bohrn, Erich Broidl, Maxime Cano-Lizan, Kurt De Bruyne, Dorli Demal, Dagmar Engel, Eva Forstinger, Odile Gavel Minart, Franz Hainzl, Dagmar Hofmann, Dragan Jović, Franz Karl, Edith Krisch, Christian M. Legner, Jan Luyssaert, Markus Mraz, Thomas Müller, Lucas Nunzer, Gilbert Pandelaers, Karl Reder, Karl Simlinger, Herbert Slatner, Viktoria Strom, Antonia Wasserbauer-Redl, Arkadiusz Ziótkowski